Triathletin

Bettina Putzig, 59

Fotos: Privat

„Ich weiß jetzt, ich kann alles erreichen, wenn ich es will.“

Bettina Putzig ist eine erstaunliche Frau. Die 59-Jährige aus Baden-Württemberg war zwar schon immer eher der sportliche Typ. Dann aber erkrankte sie zunächst an Hüftarthrose, kurze Zeit später erlitt sie einen Bandscheibenvorfall. Doch statt den Kopf in den Sand zu stecken oder etwas kürzer zu treten, tat sie das, was sie immer tat:  Vollgas geben – und mit dem Sport ging es für sie dann erst richtig los. Schwimmen, Radfahren, Joggen – Langdistanz. Bettina Putzig ist überzeugt: „Triathlon ist das Beste, was mir passieren konnte.“

Du hast schon immer Sport gemacht, zuletzt aber schien deine Karriere beendet.

Genau. Ich bekam die Diagnose Hüftarthrose und hatte einen Bandscheibenvorfall, das Bein war gelähmt. Zuerst dachte ich, okay, jetzt schlägt das Alter langsam zu, jetzt musst du mal schauen, was es für Alternativen gibt. Dann aber fiel mir Kraulen ein, obwohl ich zu diesem Zeitpunkt keine wirklich gute Schwimmerin war. Mein Bruder besuchte damals ein Triathlon-Camp auf Lanzarote – und er riet mir: „Die nehmen auch Anfänger, probier es aus.“

Was passierte dann?

Dann telefonierte ich mit den Organisatoren und schilderte mein Problem. Die versprachen: „Kriegen wir hin.“ Und ich meinte: „Ihr wisst noch nicht, was auf Euch zukommt.“ Im Flugzeug auf dem Weg zum Camp fragte mich:  „Bist du eigentlich bescheuert? Was machst du überhaupt hier?“

Wie alt warst du zu dem Zeitpunkt? 

51 Jahre alt. Aber: Nach einer Woche konnte ich 25 Meter am Stück freihändig kraulen.

Trotzdem wollte man dich bei deinem ersten Triathlon aus dem Wasser ziehen.

Ja, weil ich so schlecht geschwommen bin. Aber denen von der DLRG hab‘ ich gesagt: „Lasst mal, ich schaff das.“ Ich war zwar die Letzte, die aus dem Wasser kam, aber ich sah aus wie die Siegerin. Seither ist Triathlon mein Ding.

Wie sieht dein Trainingsplan aus?

Bisher habe ich Freestyle gemacht. Aber jetzt fange ich an, nach Plan zu trainieren, auch wenn ich ihn hin- und wieder modifiziere. Ansonsten trainiere ich acht bis zehn Stunden. Dienstags ist Schwimmen, Mittwoch ist Intervalltraining, Donnerstag ist Schwimmen und Radfahren, Freitag ist manchmal frei, Samstag ist langes Radfahrern, Sonntag ist langes Laufen. Und montags geh‘ ich mit den Mädchen vom Betrieb walken.

Wie bekommst du das alles organisiert: Job, Sport, die Vorbereitung auf einen Wettkampf? Ist das alles nicht sehr zeitintensiv?

Das kriegt man schon alles hin, wenn man das will, die Freizeit wird einfach um den Sport herum geplant. Auch, als ich mich für die Langdistanz vorbereitet hatte, bin ich sozial nicht vereinsamt und habe mit meinen Mädels mal einen Sekt getrunken. Und wenn ich von der Arbeit die 14 Kilometer nach Hause jogge, ist der ganze Stress schnell wieder vergessen. Das fühlt sich dann an, als wäre ich drei Tage nicht mehr auf der Arbeit gewesen.

Wie geht es dir heute körperlich? Hast du Schmerzen?

Ja, vor allem nachts, wenn ich zur Ruhe komme. Ich habe noch immer Hüftarthrose beidseitig, habe inzwischen gerade auch eine neue Hüfte bekommen. Aber mit dem Triathlon habe ich deutlich weniger Schmerzen als ohne. Durch den Sport konnte ich die  Operation sogar sieben Jahre hinauszögern. Bei Arthrose muss man sich bewegen, das ist das A und O, weil dadurch die Durchblutung in den Gelenken verbessert wird. Natürlich kann ich die Arthrose nicht rückgängig machen, aber ich konnte sie verzögern, und das war mein Ziel. 

Auch mit künstlicher Hüfte machst du weiter?

Ich habe mich schon belesen, moderates Laufen wird sogar empfohlen. Man muss nur schauen, dass die Schuhe gedämpft sind. Aber dadurch, dass ich kein Anfängerin bin, weiß ich ja damit umzugehen. Ich habe auch keine Knieprobleme wie viele andere. Und um ehrlich zu sein, hatte ich auch nur zwei Optionen: Mir entweder mit Schmerzmitteln die Nieren oder die Leber zu zerstören oder mich operieren zu lassen. Ich habe dem Arzt gesagt: Im August ist die Saison zu Ende, danach machen wir den Eingriff. Und im Januar aber will ich dann mit Ski-Langlauf anfangen. Und ich bin auch schon für den Allgäu Triathlon angemeldet.

Wie motivierst du dich?

Ich weiß einfach, dass es mir nach dem Sport immer besser geht. Und oft es ist ja so, dass es sich umso besser läuft, je weniger Lust man zunächst hatte. Es ist aber auch nicht mehr so wie früher, dass ich mich bis zum Elend durchzwinge. Das ist mein Luxus, den ich mir gönne im Alter. 

Was können ältere Athleten besser als jüngere?  

Ich würde sagen: Mit Niederlagen umgehen, denn wir wissen, das es nicht das Ende der Welt ist. Am Ende interessiert der Wettkampf auch nur einen selbst. Der Rest sind Zahlen – und die sind schnell vergessen.

Was kannst du heute besser als früher?

Zulassen und gönnen können. Früher war ich wesentlich verbissener. Aber der Iron Man hat tatsächlich etwas in mir verändert. Ich muss heute niemandem mehr etwas beweisen, ich hab‘ das Ding gerockt, und das ist schon cool, das gibt mir eine gewisse Gelassenheit. Ich weiß jetzt, ich kann alles erreichen, wenn ich es will.

Das heißt, du fühlst dich wohl in deiner Haut?

Klar, wer will nicht gerne jung sein. Aber man muss das Beste aus jeder Situation machen. Ich jedenfalls will mir nichts von meinem Alter diktieren lassen. So lange das alles geht, so lange mache ich das. Ich sage immer: Der Sport ist meine Religion, und der Wald ist meine Kirche. 

Natürlich, wer will nicht gerne jung sein, aber man muss das Beste daraus machen. Ich jedenfalls will mir nichts von meinem Alter diktieren lassen.