Karriereberaterin

Petra Cockrell

 

Petra Cockrell im Interview mit NextChapterNow über Bewerbung ab 50 und Altersdiskriminierung

„Viele scheitern nicht am Alter, sondern an unpassenden Bewerbungen“

Petra Cockrell war viele Jahre in internationalen Unternehmen tätig, unter anderem mit Personalverantwortung. Heute coacht sie Menschen, die sich beruflich neu aufstellen wollen – oft mit über 50. Das Problem sei selten das Geburtsdatum, sagt sie, sondern eine Kombination aus Selbstzweifeln, zu allgemeinen Unterlagen und unrealistischen Erwartungen: „Wer denkt, drei Bewerbungen reichen, ist nach drei Monaten frustriert. Das System funktioniert heute anders. Man braucht Geduld, Strategie – und ein klares Profil.“ Altersdiskriminierung? Die beginne oft im eigenen Kopf.

🎧 Die Essenz des Interviews – als Audio-Zusammenfassung:
https://on.soundcloud.com/DBVt74TNeOqceT18O9

Porträt von Karriereberaterin Petra Cockrell – Expertin für Bewerbung ab 50

Werden Ältere bei der Bewerbung benachteiligt?

Meiner Meinung nach handelt es sich eher um ein Wahrnehmungsproblem, wenn wir über die sogenannte Altersdiskriminierung sprechen – unter anderem, weil in den Medien bevorzugt über negative Fälle berichtet wird. Es mag ja Unternehmen geben, in denen Personalabteilungen ältere Bewerber automatisch aussortieren. Und man kann den Verdacht haben, dass selektiert wird – beweisen lässt sich das aber meist nicht. Offiziell nämlich ist Altersdiskriminierung durch das Allgemeine Gleichstellungsgesetz verboten.

Aus meiner Praxis jedenfalls kann ich nur sagen: Altersdiskriminierung entsteht im Kopf: Wenn Stellensuchende mit der Einstellung rangehen „Ich bin eh zu alt, mich nimmt keiner mehr'“ sind wir nicht gut aufgestellt. Man kann sich im Bewerbungsverfahren vor allem gut behaupten, wenn die Unterlagen aussagekräftig sind, und das unabhängig vom Alter. Damit aber tun sich viele schwer.

Was sind denn die klassischen Fehler?

Häufig werden im Lebenslauf nicht die gängigen Begriffe verwendet – oder es werden sogar falsche Begriffe genutzt. Ein Beispiel: Wenn jemand Projektmanagement angibt, sich dann aber herausstellt, dass derjenige lediglich Meetings koordiniert hat etwa in einem Projektteam zur Softwareentwicklung – dann ist das nicht, was in dem Bereich von einem Projektmanager erwartet wird.

Wichtig ist also: Was habe ich konkret gemacht? Und zu welchem Stellenprofil passt das? Wer sich auf die falschen Positionen bewirbt oder die eigenen Erfahrungen nicht präzise benennt, kommt nicht weiter.

Gerade ältere Bewerber haben oft tiefe Erfahrungen

Anderes Beispiel: Wenn sich jemand als Ausbildungsleiter bewirbt – dann sollte er oder sie nicht schreiben, dass das ein spannendes Feld sei, sondern deutlich machen, dass er oder sie diese Rolle schon gelebt hat.

Gerade ältere Bewerber haben oft tiefe Erfahrungen – die wissen nicht nur, wie Schönwetter geht, sondern auch, wie Windstärke 10 aussieht. Diese Kompetenz muss sichtbar werden. Nicht durch Floskeln – sondern durch konkrete Beispiele.

Viele scheitern also nicht am Alter, sondern an unpassenden Bewerbungen?

Viele denken noch wie früher: Ich schreibe drei Bewerbungen und habe eine neue Stelle. Wer heute mit dieser Einstellung startet, ist nach drei Monaten demotiviert. So funktioniert das aber nicht mehr. Die Zahl der Bewerbungen hat stark zugenommen. Das bedeutet: Mehr Konkurrenz, mehr Absagen, mehr Frust. Und das betrifft übrigens alle Altersgruppen.

Wer sich jede Absage oder jede Nichtantwort zu Herzen nimmt, verliert schnell Energie

Darum ist Resilienz heute auch so entscheidend. Wer sich jede Absage oder jede Nichtantwort zu Herzen nimmt, verliert schnell Energie. Ich sage meinen Klientinnen und Klienten immer: Absagen sind normal. Das passiert allen. Nehmt es nicht persönlich. Und noch etwas: Manche Stellenanzeigen sind reine Marketingmaßnahmen.

Die Ausschreibung als Werbemaßnahme?

Als Unternehmen kann ich mit Stellenanzeigen nach außen zeigen: „Guck mal, wie toll wir unterwegs sind!“ – ob die Stelle dann auch wirklich besetzt wird, ist eine andere Sache: Einstellung verschoben, Stellenprofil wird nochmal geändert, Umorganisation und so weiter –  und dann taucht die Anzeige innerhalb kürzester Zeit 1:1 wieder auf. Oft wird auch offiziell ausgeschrieben, weil es formale Gründe gibt, und dabei steht intern schon ein Kandidat fest. Auch das ist Realität.

Mann um die 50, sitzt mit Kaffee vor Laptop, wirkt ruhig und nachdenklich

Das heißt, dranbleiben – und sich ernsthaft auf den Prozess einstellen?

Genau. Als Bewerber hilft es sehr, wenn ich die „Spielregeln“ kenne und vor allem auch akzeptiere – und dann meine Erwartungen und Aktivitäten daran ausrichte. Kurz gesagt: mit dem Prozess arbeiten und nicht dagegen.

Bewirbt man sich besser initiativ?

Nicht nur. Man kann sich initiativ bewerben – aber wenn man den verdeckten Stellenmarkt nutzen will, läuft das anders. Es ist wie im wirklichen Leben. Ein Beispiel: Sie suchen privat einen guten Handwerker. Was machen Sie? Sie fragen erst mal im Bekanntenkreis: Kennst du jemanden? – und genau so funktioniert es auch im Job.

Wer ein gutes Netzwerk hat, wer andeutet, dass er offen für Neues ist – bekommt oft den entscheidenden Hinweis.

Warum macht man das? Erstens: Man will nicht zeitaufwendig blind herumsuchen. Zweitens: Man verlässt sich lieber auf Empfehlungen zur eigenen Risikovermeidung. Und wer empfiehlt, überlegt sich gut, wen er weiterreicht. Denn wenn sich jemand als Fehlgriff entpuppt, fällt das auch auf den zurück, der empfohlen hat. Genau diese Logik gilt auch im Berufsleben.

Mann um die 50 sitzt lächelnd vor Laptop, entspannt und zufrieden<br />

Und was bedeutet das konkret? Gerade vielleicht auch, wenn man nicht offen suchen kann, weil man sich noch in einem Angestelltenverhältnis befindet?

Das ist tatsächlich eine Herausforderung. Viele wollen sich umorientieren – häufig etwa mit Mitte 50 –, ohne dass es der aktuelle Arbeitgeber merkt. Man ist noch angestellt, aber unzufrieden. Und klar: Das hängt man nicht an die große Glocke. Trotzdem gilt: Netten Menschen wird geholfen.

Es reicht Arbeitgebern nicht, sich auf eine Stelle zu bewerben, weil man den Bereich ganz interessant findet.

Wer ein gutes Netzwerk hat, wer andeutet, dass er offen für Neues ist – bekommt oft den entscheidenden Hinweis. Aber dafür muss man sich zeigen und konkrete Details zu „Was biete ich?“ nennen. Wer zu zurückhaltend bleibt oder gar kein Netzwerk pflegt, hat es deutlich schwerer auf dem verdeckten Stellenmarkt.

Was bringt es, sich jünger zu machen?

Das  fliegt sehr einfach auf: Dazu brauche ich nur anzuschauen, aus welchem Jahr die Schul- und Ausbildungsabschlüsse stammen. Es geht um glaubhaftes Storytelling – nicht darum, sich jünger zu machen. Ich überzeuge im Bewerbungsprozess mit einer Herleitung, in die ich bestehende Beispiele einfüge und die in Summe meine Passung verdeutlichen. Es reicht Arbeitgebern nicht, sich auf eine Stelle zu bewerben, weil man den Bereich ganz interessant findet. Damit kann man gegenüber anderen Bewerbern nicht bestehen.

Was empfehlen Sie stattdessen?

Man muss in Bewegung bleiben – immer weiter nach vorne. Oft sind es die kleinen Schritte, die entscheidend sind. Ich hatte ja vorhin gesagt: Sechs bis neun Monate dauert so ein Bewerbungsprozess häufig. Doch viele geben am Anfang Vollgas – und nach drei Monaten kommt die Frustration nach dem Motto: Ich habe alles gemacht, aber nichts passiert. Dann sage ich: Immer mit der Ruhe.Das ist wie mit Steinen im Wasser: Man hat gezielt gute Steine ausgewählt und alle in eine bestimmte Richtung geworfen. Jetzt ziehen die ihre Kreise. Und irgendwann zeigt sich die Wirkung. Es geht darum, die Geduld zu behalten – und zu wissen: Die Prozesse laufen längst, auch wenn noch kein Ergebnis sichtbar ist.

Petra Cockrell im Porträt – Interview bei NextChapterNow

Was ist mit einem kompletten Neustart – also noch mal etwas ganz anderes machen?

Das kann funktionieren – aber nicht einfach so. Manchmal erlebe ich, dass jemand einen völligen Richtungswechsel anstrebt – der zum Beispiel nach 20 Jahren im Marketing plötzlich in die Pflege gehen will. Nur weil man ein gutes Herz hat, funktioniert das aber nicht. Für einen solchen Schritt braucht es mehr: fachliche Vorbereitung, körperliche Belastbarkeit, ein klares Profil. Sonst bleibt es bei einer Idee – ohne Umsetzungschance.

Welche Branchen sind besonders für ältere Bewerber offen?

Dort, wo Lebenserfahrung und Verlässlichkeit gefragt sind. Zum Beispiel im sozialen Bereich, in der Pflege, im Bildungswesen, in der Kundenbetreuung oder Beratung. Auch viele kleine und mittlere Unternehmen schätzen ältere Mitarbeitende – oft mehr als große Konzerne. Entscheidend ist, dass das Erfahrungsprofil zur Branche passt und sichtbar wird.

Frau um die 50 im Videocall, lächelnd mit Laptop und Notizblock

Was bringen ältere Bewerber mit, was oft unterschätzt wird?

Eine ganze Menge. Viele bringen eine ausgeprägte Stressresistenz mit – die wissen, wie man durch stürmische Zeiten geht. Sie haben über Jahre Verantwortung getragen, Konflikte gelöst, Teams geführt. Oft sind sie loyal, reflektiert, pragmatisch. Und sie können mit Menschen – gerade im Zwischenmenschlichen liegt viel Kompetenz, die man nicht in Kursen lernt. Diese Stärke ist nicht laut, aber sehr wirksam – wenn man sie sichtbar macht.

Wie konkret sieht Ihre Unterstützung aus, wie helfen Sie?

Kann ich Ihnen sagen. Zuerst erstelle ich eine Art persönliches Inventar. Was bringt die Person mit, welche Erfahrungen, Qualifikationen, Interessen usw.  Dann prüfen wir gemeinsam: Wo passt die Person gut hin? Für welche Positionen, in welche Branchen? Wir erstellen also die Positionierung und darauf basierend das Suchprofil. Denn es bringt nichts, sich auf Stellen zu bewerben, die nicht zu einem passen – aus welchen Gründen auch immer.

Im Januar hatte er dann nahtlos einen neuen Job. Das war eine Punktlandung.

Und dann geht es auch um den digitalen Auftritt – etwa bei LinkedIn. Wie sieht das Profil aus? Passt es zu den Bewerbungsunterlagen? Ist das Bild stimmig? Denn es ist kein Geheimnis: Viele Personalverantwortliche googeln.

Und nein – da sollte man nicht den eigenen Frust posten, wie schlimm der Arbeitsmarkt ist. Gute, fachliche Posts gehören mit zur Positionierung.

Gab es bei Ihnen denn mal einen Fall, wo Sie dachten: Das ist aussichtslos – und dann hat es doch geklappt?

Ja, da gab’s eine schöne Vermittlung. Ein Klient, der es überhaupt nicht gewohnt war, sich um einen Job bewerben zu müssen – der hat sich mit dem gesamten Prozess schwergetan. Aber er hat durchgehalten. Wir haben gemeinsam im Herbst seine Bewerbungsstrategie geschärft und die Bewerbungs-Schlagzahl pro Woche deutlich erhöht – so kamen immer mehr Interviews zustande. Im Januar hatte er dann nahtlos einen neuen Job. Das war eine Punktlandung.

Wie erleben Sie Ihre Klienten im Beratungsprozess?

Ich habe über viele Jahre viele Klientinnen und Klienten begleitet – oft auch über den eigentlichen Bewerbungsprozess hinaus, wenn sie schon in neuen Stellen sind. Da entsteht mit der Zeit eine lange gemeinsame Geschichte. Ich sehe, wie die Kinder groß werden – solche Dinge. Das ist sehr persönlich und vertrauensvoll. Und das ist auch wichtig.

Denn wenn jemand in einer belastenden beruflichen Situation ist – und zu Hause will es der Partner oder die Partnerin vielleicht schon gar nicht mehr hören – dann braucht es einen geschützten Raum. Und den biete ich.

Ohne Einsicht und letztlich auch die Lernbereitschaft stehe auch ich auf verlorenem Posten.

Ganz wichtig: Man muss bereit sein, diesen Raum auch zu nutzen: offen sein für neue Ideen und vor allem für Feedback aus einer anderen Perspektive.

Sind Ihre Klienten eher weiblich oder männlich?

Es sind mehr Frauen. Männer tun sich ehrlicherweise oft schwerer damit, sich Unterstützung zu suchen. Und manche finden dann auch einen männlichen Berater besser.

Kriegen Sie am Ende jeden vermittelt?

Die Quote ist zumindest sehr hoch. Aber es gibt Fälle, da kann ich ganz genau sagen, woran es scheitert. Zum Beispiel, wenn jemand nicht bereit ist, sich gezielt und mit entsprechenden Nachweisen weiterzubilden. Ich habe aktuell genauso einen Fall. Jemand, der sich über die Jahre zwar entwickelt hat – aber dann stehen geblieben ist. Und wenn man das nicht erkennt und sich nicht auf veränderte Anforderungen einstellt, dann klappt es nicht.

In dem konkreten Fall bezieht der Klient nur noch wenige Wochen Arbeitslosengeld I – und dann wird’s eng. Das kann ein sehr trauriger Verlauf werden. Ohne Einsicht und letztlich auch die Lernbereitschaft stehe auch ich auf verlorenem Posten.

Am Ende sind Sie also nur so erfolgreich, wie Ihr Klient mitarbeitet?

Genau. Wenn jemand bereit ist, mit neuen Ansätzen richtig mitzumachen, hat er ganz andere Chancen. Aber wenn jemand denkt, ich mache so weiter wie bisher – dann wird es schwierig. Das ist dann hart mitanzusehen, weil man weiß: Es könnte funktionieren und jetzt geht das Ding gegen die Wand.

Das hat auch etwas von Hilfe zur Selbsthilfe, oder?

Das stimmt. Es gibt immer emotionale Themen. Viele Menschen, die zu mir kommen, sind enttäuscht, fühlen sich unfair behandelt oder ausgebrannt.Manchmal braucht es nur einen kleinen Impuls von außen, wenn man selbst nicht mehr weiter weiß – und in manchen Momenten darf ich genau dieser Impuls sein.

Ich habe Klienten, die früher ihre Jobs immer ohne formale Bewerbung bekommen haben und jetzt „aus dem Managerhimmel“ gefallen sind – und dann plötzlich in einer neuen Realität stehen. Wenn wir es dann gemeinsam in neuen Job schaffen, ist das nicht nur ein beruflicher Erfolg für sie – sondern auch menschlich für mich. Es geht um gegenseitiges Vertrauen und darum, ein echtes Stück Weg gemeinsam zu gehen.

Ganz ehrlich, würden Sie sich selbst mit 60 noch bewerben?

Ich selbst? Natürlich – wenn es mich reizt und passt, warum nicht? Es geht darum, beweglich zu bleiben. Ich hatte auch schon Klienten, die über 60 waren, aber die Mehrheit – da machen wir uns nichts vor – denkt in dem Alter ja eher an Rente. Wer noch mal was will, hat Chancen. Man muss nur wissen, worauf man sich einlässt. Entscheidend ist – wie gesagt – nicht das Alter, sondern die Klarheit: Was kann ich? Was will ich? Und wie trete ich auf? Wenn das stimmig ist, kann auch mit 60 noch eine neue berufliche Etappe beginnen.


Tipp:

Wer mehr über die Arbeit von Petra Cockrell erfahren will: https://www.stratessa.de/

 

Altersdiskriminierung entsteht im Kopf.

Zur Person

Petra Cockrell begleitet Menschen, die sich beruflich neu aufstellen wollen – oft jenseits der 45. Zuvor war sie viele Jahre in internationalen Unternehmen tätig, unter anderem in leitender Personalfunktion. Heute liegt ihr Schwerpunkt auf beruflicher Neuorientierung, Bewerbungsstrategie und klarer Positionierung. Sie arbeitet in eigener Praxis nahe München, persönlich oder online. Auf ihrer Webseite stratessa.de beschreibt sie sich als Jobprofilerin – und als Sparringspartnerin für Menschen im Aufbruch.